Wo Kinder mit Bildern lernen

Die Freie Waldorfschule Cottbus war die erste ihrer Art im Land Brandenburg. Am kommenden Mittwoch ist es genau 25 Jahre her, dass sie in der Elisabeth-Wolf-Straße ihre Türen öffnete – für insgesamt 56 Kinder in vier Klassen. Heute lernen 305 Schüler der Klassen 1 bis 13 am neuen Standort in der Leipziger Straße.

Thomas Harting, Barbara Hinze und Daniela Solyom – hier im Raum der 1. Klasse, erinnern sich an die Anfangszeit der Waldorfschule. Foto: Elsner

Was vor 25 Jahren mit 56 Schülern, acht Lehrern und zwei Horterziehern begann, ist längst zur Erfolgsgeschichte geworden. Die Waldorfschule ist die größte freie Schule in Cottbus und verfügt über einen eigenen Kindergarten, ein modernes Werkstattgebäude, eine Bibliothek und eine sanierte Turnhalle.

Horterzieherin Daniela Solyom und Lehrerin Barbara Hinze erinnern sich noch gut an die Anfangszeit. Den Anstoß haben damals Michael und Ursula Wittig gegeben, die noch heute an der Waldorfschule unterrichten und bereits in der DDR-Zeit die von Rudolf Steiner begründete anthroposophische Lehre, die der Waldorf-Pädagogik zugrunde liegt, gelebt haben.

Barbara Hinze war schnell klar, dass das genau das ist, was sie selbst auch wollte. 1980 hatte die Absolventin ihre erste Stelle als Lehrerin für Mathematik und Physik an der Lenin-Oberschule in Cottbus-Sachsendorf angetreten. "Fahnenappell und dass wir als gestandene junge Frauen FDJ-Blusen zu tragen hatten, fand ich einfach albern", erinnert sich die Pädagogin, die in der Station Junger Naturforscher und Techniker und später in der Krankenhausschule ihre Nische gefunden hat.

Beide Pädagoginnen erinnern sich gut an das erste Treffen der Leute, die sich 1990 auf den Weg gemacht haben, eine Alternative zur Staatsschule zu schaffen. Rund 200 Menschen waren gekommen, viel mehr als erwartet.

Das Besondere am Konzept der Waldorfschulen beschreibt Barbara Hinze so: "Man ist immer am Kind dran. Was Kinder in einem bestimmten Alter brauchen, geben wir ihnen." Unterricht dürfe erst dann beginnen, wenn die Kinder die körperliche Reife dafür haben, betont Daniela Solyom, und das sei mit sechseinhalb bis sieben Jahren der Fall. Die flexible Eingangsphase mache eine Wurzelklasse möglich, in der auf spielerische Weise grundlegende Fähigkeiten entwickelt werden, betont Thomas Harting, Geschäftsführer des Vereins Waldorf Cottbus.

Auch in den Folgejahren bleibt es bei diesem Herangehen. "Für das Lesenlernen ist es wichtig, mit der Sprache zu spielen", erläutert Daniela Solyom. Da wird nicht nur gesprochen und gesungen, sondern es werden Figuren gebacken, und in der Eurythmie (anthroposophische Bewegungskunst) wird den Dingen nachgespürt.

Elternängste, dass Kinder das Lesen nicht lernen, seien völlig unbegründet, versichert Jörg Tudyka, Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit des Vereins Waldorf Cottbus. "Das Konzept geht auf, in der 3., 4. und 5. Klasse ist alles in kürzester Zeit da." Rhythmische Bewegung unterstütze zudem das Lernen. So beginnt auch Barbara Hinze, Klassenleiterin der 1. Klasse, den Unterricht mit einem halbstündigen Bewegungsteil, auf den der Lernteil folgt. "Man lebt mit den Kindern in Bildern", erläutert die erfahrene Lehrerin. Dazu gehört auch das besondere Tafelbild, das die Kinder ein paar Wochen begleitet. In der Waldorfpädagogik sei alles miteinander verbunden: Musisches, Handwerk und Wissen. Und ein Thema wird immer fächerübergreifend behandelt.

Der bewusste Verzicht auf visuelle Medien für die Jüngeren eröffne den Kindern die Möglichkeit, sich ihr eigenes Bild zu machen, betont Jörg Tudyka. Das fördere die Kreativität wie auch die Fähigkeit, sich mit den Dingen auseinanderzusetzen.

Von Anfang an zeichne eine besonders aktive Elternschaft die Waldorfschule aus, betont Thomas Harting. "Zwischen Klassenlehrer, Erzieher und Eltern besteht ein Dreierbündnis." Die Tatsache, dass die ersten ehemaligen Schüler jetzt selbst Eltern von Waldorfschülern sind, ist für den Geschäftsführer ein Gradmesser für die Qualität der Bildung. Was aus den Absolventen geworden ist? "Das Spektrum reicht von Arzt über Pädagoge, Schauspieler und Geigenbauer bis Kapitän zur See und Dr. der Mathematik", so Jörg Tudyka.

Trotzdem sind bisher nicht alle Wünsche des Trägervereins aufgegangen. Auch wenn das Haupthaus innen in frischen Farben erstrahlt, Dach und Fassade warten dringend auf eine Sanierung.

Ulrike Elsner

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